Geschäftsmodelle – Mit Rezept zum Erfolg
Die oben gezeigten leeren Blöcke werden mit auf Post-It festgehaltenen Ideen befüllt. Dieses visuelle Arbeiten ist insbesondere in Gruppen äusserst hilfreich. Die rechte Hälfte des Canvas befasst sich mit Werten und Emotionen. Die linke Hälfte befasst sich hingegen vorwiegend mit Rationalität und Effizienz des Projekts bzw. Unternehmens. Aus diesen Werten ergeben sich meist auch die Finanzierungsparameter (Kosten und Ertragsströme).
Angebot
Am Anfang eines Projekts oder Unternehmens steht meist eine Idee, welche ein spezifisches Kundenproblem lösen oder neue Werte schaffen soll. Nicht selten entstammen solche Ideen aus Köpfen langjähriger Mitarbeiter, da sie Kunden und deren Probleme bestens kennen und verstehen. Eine konkrete Idee auszuarbeiten dauert aber weitaus länger, als der initiale Geistesblitz. In einer ersten Phase dienen insbesondere Leute aus dem nahen Umfeld (Familie, Freunde, potentielle Kunden, Unternehmer, Professoren) und Start-Up-Berater als Sparring-Partner, um diesen Geistesblitz zu einem konkreten Nutzenversprechen zu formen. Für viele Unternehmensgründer steht bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass sie ihre Idee realisieren möchten. Um nichts dem Zufall zu überlassen, sollte aber zunächst das gesamte Konzept oder eben Geschäft konkret durchdacht werden.
Kunde und Markt
Zum Durchdenken des Konzepts gehört u.a. eine erste Marktpotentialabschätzung. Hierbei werden erste Marktanalysen durchgeführt, um möglichst exakt jene Kundensegmente zu identifizieren, welchen das Produkt bzw. die Dienstleistung idealerweise angeboten werden soll. Handelt es sich um ein Massen- oder Nischenprodukt? Kann der Markt sinnvoll segmentiert werden, z.B. nach Geographie, Alter, Geschlecht etc.?
Wichtig ist hierbei, dass Nutzenversprechen und Zielkundensegmente gut zusammenpassen, sodass auch ideale Kundenkanäle ausgewählt und die gewünschte Zielgruppe adressiert werden können. Via Werbung auf YouTube erreicht man bspw. andere Zielgruppen, als im Regionalfernsehen. Doch nicht nur zur Generierung von Aufmerksamkeit und zu Informationszwecken ist der richtige Kanal wichtig, auch für die Distribution und den Vertrieb der angebotenen Leistung ist die Wahl kritisch. Mit Angeboten im Discounter erreicht man nicht dasselbe Kundensegment wie z.B. im Delikatessen-Laden oder im Direktvertrieb.
Die Kundenbeziehung klärt das Verhältnis zwischen dem anbietenden Unternehmen und dem Kunden. Die teilweise sehr persönliche Betreuung (z.B. im Private Banking) unterscheidet sich stark von einem Call Center (z.B. eines Mobilfunkanbieters), auch kostentechnisch. Daher kommen in der digitalen Welt vornehmlich (voll-)automatisierte Betreuungssysteme zum Einsatz, z.B.:
- Vorschläge auf Basis des eigenen Nutzungsverhaltens (Netflix, YouTube etc.)
- Direkte Einbindung der Nutzer in die Angebotserstellung (z.B. Facebook, Twitter, YouTube-Videos, Amazon-Bewertungen etc.)
Infrastruktur
Hinter dem in diesem Kontext nicht bautechnischen Begriff verbergen sich Schlüsselaktivitäten, -ressourcen und -partnerschaften. Sie tragen alle dazu bei, dass das Nutzenversprechen überhaupt erst realisiert werden kann. Die Aktivitäten des Unternehmens beinhalten das Schaffen und Anbieten eben dieses Nutzenversprechens, z.B. durch eigene Produktion, Fertigung und Vertriebstätigkeit. Auch die reine Vermarktung von fremdgefertigten Produkten kann eine Schlüsselaktivität darstellen. Die für das Geschäft notwendigen Ressourcen umfassen nebst Finanzen meist auch physische Ressourcen, wie z.B. Boden oder Einzelmaterial, sowie Humankapital. In einer immer dichter verflochtenen Geschäftswelt kommt dem eigenen Netzwerk eine immer bedeutendere Rolle zu. Diese Partnerschaften reichen von einfachen Käufer-Verkäufer-Beziehungen über Einkaufsgemeinschaften bis hin zu Joint Ventures und Allianzen.
Finanzierung
Sind alle Blöcke eines Geschäftsmodells einmal „fixiert“, gilt es auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse einen ersten Business Case (inkl. Planbilanz, -erfolgsrechnung, -mittelflussrechnung und Liquiditätsplanung) zu erstellen. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der Kostenstruktur und den geplanten Ertragsströmen. Die fixen (z.B. Miete, Schlüsselpersonal) und variablen Kosten (z.B. Materialeinsatz, Produktionsmitarbeitende, Versandkosten) geben grob vor, welche Erträge mindestens notwendig sind, um das Vorhaben überhaupt erfolgreich umsetzen zu können. Entsprechen oder übertreffen die erwarteten Erträge bspw. aus Güterverkauf, Nutzungsgebühren, Leasing, Lizenz- oder Werbeeinnahmen die Modell-Kosten, wird das gesamte Modell in einem Businessplan abgebildet. Ein solcher umfasst die wichtigsten Blöcke des Geschäftsmodells und dient einerseits der Adressierung potentieller Geldgeber (Private Investoren oder Banken), andererseits als Instrument zur Überprüfung von Auswirkungen unvorhergesehener Ereignisse im Modell (z.B. Geschäftspartner springt ab und Alternativlieferant ist um x% teurer). Zu einem guten Businessplan gehören aber noch weitere Komponenten, wie z.B. die Beschreibung des Teams mit Lebensläufen, die Darstellung der Konkurrenzsituation, Aufzeigen der nächsten geplanten Schritte sowie die Ermittlung von Chancen und Risiken des Vorhabens.
Praxis-Beispiel: Geschäftsmodell von Nespresso
Das heute allseits bekannte und beliebte Kaffeekapselsystem war nicht seit jeher erfolgreich. In seinen Anfängen gegen Ende der 80er Jahre versuchte Nespresso nämlich Maschinen an Restaurants und Büros zu vermarkten, dies aber ohne Erfolg. Erst durch Adressierung von gutverdienenden Privathaushalten (Veränderung des Kundensegments) und mit dem direkten Kapselversand (Veränderung des Kanals) stellte sich der Erfolg ein. In den 2000ern kamen der Online-Vertrieb, als auch die Etablierung der Nespresso-Shops dazu (Erweiterung von Absatzkanälen).
Aktuell laufen immer mehr Patente aus, wodurch Lizenz-Einnahmen seitens Maschinenhersteller weiter sinken und kompatible Konkurrenzkapseln den eigenen Markt immer stärker angreifen dürften. Durch verstärkte Vermarktung von Nespresso im Hochpreissegment, wachsende Konzern-Unterstützung im Mittelpreissegment mit Dolce Gusto und dem Instant-Kaffee Nescafé im Massenmarkt ist Nestlé zwar stark im (Portionen-)Kaffeegeschäft verankert. Sollte sich die Marktsituation, z.B. aufgrund auslaufender Patente und steigender Konkurrenz weiter verschärfen, könnten für Nespresso aber gewisse Modifikationen am eigenen Geschäftsmodell notwendig werden:
Kundensegmente und Kanäle
- Vertrieb der Kapseln über Detailhändler zur Verstärkung der Marktpräsenz und Verdrängung von kompatiblen Konkurrenzprodukten (da diese beim Detailhändler gekauft werden)
- Verkauf von Nespresso in anderen Kapselarten für weitere Systeme, wie z.B. Delizio, Martello, Tassimo etc.
- Verkauf von ganzen Bohnen zur Bearbeitung anderer Kaffee-Märkte (Vollautomaten und Siebträger: zu Hause, Raststätten, Kiosks, Restaurants etc.)
Ertragsströme
- Einführung von Bestellabonnements
- Lizenzvergabe der eigenen Kaffeekapsel an ausgewählte Kaffeeanbieter und lokale Röstereien Kosten
- Verkauf ganzer Bohnen senkt Produktionskosten und eröffnet neue Kanäle (Grosshandel) sowie Kundensegmente (Raststätten, Kiosks, Restaurants etc.)
Schlüsselpartner
- Grosse Detailhändler, Tankstellenshops etc. mit Vollautomaten oder Siebträger
- Selektierte Kaffeeanbieter und exklusive Röstereien
Dieses kleine Beispiel zeigt auf, mit welch simplen Mitteln das bestehende Geschäftsmodell von Nespresso zumindest gedanklich modifiziert werden könnte. In der Realität würden oben genannte Ideen und viele weitere gesammelt, bewertet, getestet und sofern notwendig auch tatsächlich umgesetzt.
Beispiel-Projekt in Ihrem Unternehmen
Auch für langjährig tätige Unternehmen ist es empfehlenswert, sich von Zeit zu Zeit aktiv mit dem eigenen Geschäftsmodell auseinanderzusetzen. Hierzu sind professionell moderierte oder eigens gut vorbereitete Workshops zur Ideengenerierung besonders geeignet. Ist das Geschäftsmodell Canvas den Teilnehmenden erklärt, werden die neun Blöcke jeweils einzeln und ausführlich diskutiert. Einerseits werden dabei das eigene Geschäftsmodell erarbeitet, andererseits möglichst viele neue Ideen seitens der Teilnehmenden generiert. Diese Ideen sollten zunächst ungefiltert auf Post-It im Canvas festgehalten werden. Dies fördert die Partizipation und dadurch auch die Qualität des Workshops. Ist das Canvas einmal mit Post-IT übersäht bzw. der Ideenreichtum der Teilnehmenden erschöpft, folgen die Filterung innerhalb der Blöcke und der Versuch der Verknüpfung neuer Ideen zu einem neuen oder leicht modifizierten Geschäftsmodell. Ein externer Berater als Workshop-Leiter kann interessante Inputs liefern, sowohl bei der Ideengenerierung als auch bei der Ausarbeitung von Pilot-Projekten, Erstellung von Business Case, Businessplan, und der Implementierung.
Das Business Model Canvas bietet Unternehmen jeder Grösse und Unternehmern ein einfaches Werkzeug, um bestehende Geschäftsmodelle zu überarbeiten und neue zu kreieren. Gerne begleiten wir Sie über die Geschäftsmodell-Findung hinaus auch während des gesamten (Gründungs-)Prozesses, als Sparring-Partner, beim Erledigen von Formalitäten, Erarbeiten von Konzepten und bei der Suche nach Investoren. Möchten Sie Ihr bestehendes Geschäftsmodell überarbeiten oder benötigen Sie erfahrene Moderatoren für Workshops? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir helfen Ihnen gerne weiter.